Alla Jaroshinskaja unternimmt ein schwieriges Experiment, sie erzählt die schon oft geschriebene Geschichte der Katastrophe von Tschernobyl aus der Sicht der einheimischen Bevölkerung. Damit eng verwoben ist ihre Geschichte – der zähe Kampf einer Provinzjournalistin um das Recht, die Wahrheit suchen, finden und dann publizieren zu dürfen.
Unerbitterlich dokumentiert sie mit Namen und Funktion, wer durch sein Schweigen, durch seine Lügen und durch angepasstes Verhalten dazu beigetragen hat, dass Millionen von Menschen uniformiert, nicht gewarnt, ungeschützt von der Katastrophe getroffen wurden. Sie benennt Journalisten, Lokalpolitiker, Parteifunktionäre und Wissenschaftler, und sie gelangt schließlich bis an die Spitze des sowjetischen Staatswesens.
Schneidend scharf wird das Buch mit seinem zweiten Teil, das 40 Geheimprotokolle aus den Kremlarchiven dokumentiert. Ein Husarenstück, wie die Autorin diese einmaligen Dokumente in ihren Besitz bringt. Anhand dieser Protokolle wird deutlich, auf welch perfide Weise das Lügengespinst um Tschernobyl vom ersten Tag an systematisch, Faden um Faden, gesponnen wurde.
Die Fragen der couragierten ukrainischen Journalistin wird niemand vergessen, der dieses Buch in die Hand genommen hat. Für sie ist selbstverständlich, dass Politiker über Leichen gehen, lügen, wegschauen.
Alla Jaroshinskaja, geboren 1953 in Shitomir (Ukraine), Journalistin und Politikerin; erhielt 1992 den Alternativen Nobelpreis.