infi idis
Wer den Titel, unter dem vorliegende Texte zusammengefaßt sind, nachschlägt, weil er aus ihnen sich nicht erschließt, kommt auf den Namen einer marokkanischen Hafenstadt, die auch das Tor zur Sahara genannt wird. Es bleibt unklar, wie diese in Beziehung steht zu den fast mikroskopischen Augenblicksbeobachtungen, denen die Unlust des Autors anzumerken ist, einen weiteren Horizont als den einer Rasenfläche ins Auge zu fassen. Wenn man aber die kleinen Schritte der kurzen Zeilen auf Unscheinbares hin als Versuch begreift, einem Herumirren in einer wie immer gearteten Wüste zu entkommen, läge es nahe zu vermuten, daß das Tor zur Sahara eigentlich ein Tor, das aus der Sahara hinausweist, sein könnte. Ich traf Krohn im letzten Jahr ziemlich regelmäßig, fast alle vierzehn Tage. Uns beiden tat, aus verschiedenen Gründen, diese Regelmäßigkeit gut, über alles mögliche und auch über seine Notizen zu reden, die im wesentlichen bis zum Sommer gemacht wurden und im Verlauf der Gespräche eine für beide zufriedenstellende Form annahmen. Mich lenkte das Reden über Gedichte angenehm von einem schwer einzuordnenden äußeren, ihn, denke ich, von einem andersartig schwer zu bewältigendem inneren Geschehen ab. Vielleicht wurde da gemeinsam auch etwas bewegt. Im zweiten Teil jedenfalls sind die Texte länger, erzählerischer, prozesshafter. Es geht mehr ins Offene. Da ich mich mit dem Titel nie ganz anfreunden konnte, hat mich interessiert, ob er umgedreht geschrieben eine weitere Bedeutung hergibt. Das Ergebnis war nur halb befriedigend. Infi – man könnte an infinit denken, aber das führt zu nichts. Immerhin ist idis in der germanischen Mythologie ein göttliches weibliches Wesen. Und der erste Merseburger Zauberspruch spricht von den idisi:
Einstmals setzten sich Frauen, setzten sich hierhin und dorthin.
Einige hefteten Hafte, andere hemmten das Heer,
andere nesteln an festen Fesseln:
Entspring den Banden, entweich den Feinden.
Stefan Döring